Sollte man ein Holzhaus ohne Dachüberstand bauen?

Holzhaus ohne Dachüberstand

Moderne Holzhäuser werden heute sehr oft ohne einen sogenannten Dachüberstand geplant und errichtet. Was optisch gut aussieht, kann aber für die Bausubstanz zu einem Problem werden. Denn ein Holzhaus ohne Dachüberstand ist vor allem auf der Wetterseite deutlich stärker den Witterungseinflüssen ausgesetzt. Was dies bedeutet, das erfährst du hier.

Ästhetik versus Bautechnik

Die Planung der eigenen vier Wände ist für einen Bauherren meist ein einmaliges Projekt. Deshalb soll alles genau so sein, wie man es sich vorstellt. Vor allem bei einem Holzhaus wirkt ein großer Dachüberstand häufig störend, verdeckt er doch zumindest teilweise den Blick auf die schöne, hölzerne Außenfassade. Außerdem wirkt er nicht selten etwas altbacken und architektonisch überholt. Trotzdem ist es sinnvoll, auch die Vorteile zu bedenken, die ein solcher Dachüberstand mit sich bringt. Mag sein, dass vielleicht die Ästhetik des Gebäudes etwas unter einer solchen Konstruktion leidet. Dies wird aber durch den Nutzen, den ein solcher Überstand für das Bauwerk, die Holzfassade und auch das Raumklima hat, mehr als ausgeglichen. Wenn mich jemand zu diesem Thema befragt, lautet meine Antwort als Experte für Holzhäuser meist, dass eine langlebige Bausubstanz wesentlich glücklicher macht, als ein Gebäude mit einer ansprechenden Architektur, das aber schon nach relativ kurzer Zeit saniert werden muss.

Was ist ein Dachüberstand und wozu dient er?

Unter einem Dachüberstand verstehen Bauexperten den Teil eines Daches, der über die Hauswand hinausragt und an dem in der Regel die Dachrinne befestigt ist, welche dafür sorgt, dass das Regenwasser nicht an der Hauswand hinabfließt, sondern über in den Boden führende Rohre abgeleitet werden kann. Neben dem Schutz vor Regenwasser kann der Dachüberstand im Sommer auch einen gewissen Schutz vor der Sonneneinstrahlung bieten und verhindern, dass sich die Räume des Hauses zu stark erhitzen. Ein Dachüberstand prägt also nicht nur das optische Erscheinungsbild eines Hauses, sondern hat darüber hinaus ganz praktische Konsequenzen. Bei sogenannten Sparrendächern für Häuser mit geringer Tiefe wird ein Dachüberstand meist etwas kleiner geplant, als bei Häusern mit Pfettendächern (die sich durch die waagerechten Pfetten kennzeichnet). Bereits diese Informationen zeigen, dass es sinnvoll ist, wenn du dir vor Baubeginn überlegst, ob du wirklich auf dieses Bauelement verzichten möchtest.

Der Baustoff Holz reagiert auf Wasser anders, als Stein oder Beton

Gerade für ein Holzhaus ohne Dachüberstand kann das Nachteile bezüglich der Bausubstanz haben, denn Holz ist ein lebendiger Baustoff, der Wasser in größerem Umfang aufnimmt und auf Wasser wesentlich empfindlicher reagiert, als etwa Beton oder Stein. Mein Hauptargument gegen einen Dachüberstand war immer, dass sich dadurch die Optik des Gebäudes verbessert und sich Kosten sparen lassen. Inzwischen würde ich dir aber zu einem Dachüberstand raten, weil er dir auf lange Sicht größere Baumaßnahmen erspart. Die entstehen bei einem Holzhaus ohne Dachüberstand vor allem durch die Schäden, die aufgrund von Verwitterung entstehen. Je häufiger eine Außenfassade aus Holz feucht wird, desto stärker verwittert sie und muss früher oder später ausgetauscht werden. Dies ist vor allem auf der Seite des Hauses zu befürchten, die als Wetterseite in besonderem Maße den Umwelteinflüssen ausgesetzt ist. Auch Schimmelbildung kann zu einem Problem werden, denn auf einer ständig feuchten Holzfassade fühlen sich Schimmelsporen besonders wohl.

Wichtige Planungsaspekte für ein Holzhaus ohne Dachüberstand

Falls du planst, ein Holzhaus ohne Dachüberstand zu bauen, dann empfehle ich dir, auf einige Aspekte schon bei der Planung des Hauses zu achten. Wenn du bestimmte Dinge berücksichtigst, kannst du so bereits im Vorfeld dafür sorgen, dass du bei deinem Holzhaus ohne Dachüberstand später nicht sehr schnell teure Nacharbeiten oder Sanierungsmaßnahmen durchführen musst. Achte vor allem auf folgende Dinge:

  • Das Holzhaus ohne Überstand sollte mit der Wetterseite nicht zu dicht an einem Wald stehen (er verhindert eventuell die für das Abtrocknen wichtige Sonneneinstrahlung).
  • Die sogenannte Schlagregenmenge sollte vorher überprüft werden. Ist sie sehr hoch, sollte eine vertikale Verschalung angedacht werden, bei der das Wasser besser abläuft.
  • Wird auf den Dachüberstand verzichtet, sollte eine Holzart gewählt werden, die nur wenig Wasser aufnimmt. Fichten oder Tannenholz sollte hier nicht als Baumaterial verwendet werden.
  • Für die Außenfassaden aus Holz sollte nur gut getrocknetes Bauholz verwendet werden. Noch feucht verbautes Holz trägt zur Schimmel- und Algenbildung bei.
  • Zu große oder sehr glatte Flächen direkt über der Holzfassade sind zu vermeiden, da sie dafür sorgen, dass viel Wasser die Fassade hinabfließt.

Mit den hier genannten Maßnahmen vermeidest du bei deinem Holzhaus ohne Dachüberstand, dass die Fassade durch Feuchtigkeit und vor allem starken Regen bereits nach einigen Jahren sehr teuer saniert oder sogar ganz erneuert werden muss. All die hier aufgelisteten gefahren lassen sich meiner Meinung nach vermeiden, indem du einen zumindest kleinen Dachüberstand einplanst.

Nachteile bei einem Holzhaus ohne Dachüberstand

Ohne Dachüberstand ergeben sich einige wichtige Nachteile, da in diesem Fall die Dachrinne innerhalb bzw. auf dem Mauerwerk liegt:

  • Es können Probleme bei eventuellen Undichtigkeiten der Fassade auftauchen. So kann vor allem an den Fenster und Türanschlüssen Wasser eher in die Dämmung eindringen, das es einfach öfter dort „vorbeischaut“ mangels Schutz durch das Dach.
  • Bei Regen läuft auf der Wetterseite in aller Regel das Wasser die Fassade hinunter. Es wird also eine größere Ringdrainage um das Haus herum benötigt, da mehr Regenwasser die Wand runterläuft als über die Dachentwässerung in die Kanalisation zu gelangen.
  • Die hölzerne Fassadensubstanz kann in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn sie wetterseitig, also auf der Nord- oder Ostseite häufig feucht wird
  • Der Verzicht auf einen Dachüberstand kann bei Dauerregen zu einer Durchnässung oder zu Frostschäden führen
  • Bei einer Holzfassade setzt die Verwitterung bei häufiger Durchnässung schneller ein – es muss also öfter gestrichen werden.
  • Die Wand bekommt deutlich mehr Sonne ab. So muss das Haus noch öfter gestrichen werden. Hierdurch werden also die Intervalle für den Haus-Anstrich erhöht und das geht über die Jahre in die Kosten.
  • Sie können keine Gegenstände nahe an der Wand regensicher unterstellen. Dies ist nicht zu unterschätzen, denn wir haben hier oft unsere Fahrräder oder Gartengeräte nahe an der Wand stehen – so wird Rost vermieden.

Einen Dachüberstand mit einzuplanen, bedeutet deshalb einen insgesamt höheren Schutz vor solchen, durch die Witterung bedingten Einflüssen und Gefahren. Anders formuliert heißt das, dass das Weglassen eines Dachüberstandes nicht empfehlenswert ist, da dieser ein konstruktiver Holzschutz ist, der die Außenfassade vor zu viel Regen schützt.

Holzhaus Dachüberstand

Oberflächenbeschichtungen als Schutzmaßnahme

Verfügt ein Holzhaus ohne Dachüberstand über eine naturbelassene Außenfassade, wird diese, je nach der Holzart, aufgrund der Umwelteinflüsse langsamer oder schneller verwittern. Eine Möglichkeit, diesen Prozess zu verlangsamen, ist die Verwendung von Oberflächenbeschichtungen. Dazu werden meist Lacke oder Lasuren verwendet, die die Holzoberfläche versiegeln und gegen das Eindringen von Feuchtigkeit schützen. Wenn du auf das Holz solche Hydrophobierungsmittel aufträgst, sorgen sie dafür, dass es weniger Feuchtigkeit absorbiert, was zu geringerer Riss- und Verwerfungsbildung führt. Diese Mittel gibt es übrigens auch mit Pigmenten, falls du dein Holzhaus schützen und ihm zugleich einen farbigen Anstrich verleihen möchtest.

Unterlüftung der Holzfassade sorgt für schnelleres Trocknen

Unabhängig davon, ob ein Holzhaus ohne Dachüberstand oder mit einem solchen gebaut wird, ist die Unterlüftung (manchmal wird sie auch als Hinterlüftung bezeichnet) der Außenfassade eine wichtige Maßnahme. Wenn nämlich eine gute Unterlüftung gegeben ist, kann das Holz besser „atmen“, wie wir Fachleute den Effekt bezeichnen. Eine solche Unterlüftung sollte mindestens 24 mm, besser noch 30 – 40 mm tief sein. Die notwendigen Öffnungen für den Ein- und -Austritt der Luft benötigen zudem einen Nettoquerschnitt von wenigstens 15.000 mm² pro Laufmeter Holzfassade. Um das Einnisten von Insekten (Bienen, Hornissen) im Bereich der Unterlüftung zu verhindern, sollte diese durchgehend mit einem Insektenschutzgitter verschlossen werden. Sie sollte darüber hinaus nicht durch Fensterbänke oder ähnliche Öffnungen unterbrochen sein. Die richtig geplante und ausgeführte Unterlüftung lässt das Holz der Fassade nach Regenfällen schneller abtrocknen, wodurch Schimmelbefall und Verwitterung reduziert werden.

Fazit zum Thema Holzhaus ohne Dachüberstand

Wie du gesehen hast, benötigt ein Holzhaus schon in der Planungsphase besondere Aufmerksamkeit im Bereich Nässeschutz. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Holzhaus ohne Dachüberstand vor zu viel Feuchtigkeit zu schützen (z. B. durch Ausrichtung des Gebäudes, Aufbringen einer Oberflächenbeschichtung, die richtige Wahl der Verschalungsrichtung oder Installation einer Unterlüftung). Aus meiner Expertensicht ist aber dennoch ein Dachüberstand die effektivste Möglichkeit, die Holzfassade vor den Witterungseinflüssen (vor allem vor Regen und sonstiger Feuchtigkeit) zu schützen. Außerdem trägt ein solcher Überstand zum besseren Raumklima bei, da er im Sommer hilft, die Innenräume kühl zu halten. Obwohl vielleicht auch bei dir ein Kampf zwischen architektonischen und bautechnischen Wünschen tobt, rate ich dazu, den bautechnischen Vorteilen eines Dachüberstandes den Vorzug zu geben. Damit sparst du eine Menge Geld, denn die aufwändige Sanierung oder gar Erneuerung einer Außenfassade aus Holz ist mitunter sehr kostspielig. Zudem wird sie in regelmäßigen und relativ kurzen Zeitabständen notwendig sein, wenn kein Dachüberstand die Außenwände des Gebäudes schützt. Auf Basis aller Aspekte kann ich dir beim Bau eines Holzhauses nur zur Planung eines Dachüberstandes raten, denn er erspart dir viel Ärger, Arbeit und finanziellen Aufwand.

3 Kommentare zu "Sollte man ein Holzhaus ohne Dachüberstand bauen?"

  1. Günther Lerber | 4. Mai 2021 um 14:31 |

    Wenn ich so darüber nachdenke, dann habe ich eigentlich noch nie ein Holzhaus ohne Dachüberstand gesehen. Das mag wohl daran liegen, dass wenn ein Holzhaus ohne Dachüberstand über eine naturbelassene Außenfassade verfügt, diese, je nach der Holzart, aufgrund der Umwelteinflüsse langsamer oder schneller verwittern wird. Das sollte man also auch noch beim Hausbau bedenken.

  2. Wir haben einen Dachüberstand von 70 cm. Wenn ich nochmals bauen würde, dann würde ich eher noch 10 cm mehr nehmen.

  3. Jonas Deubel | 6. Januar 2020 um 10:44 |

    Vielen Dank für diesen lesenswerten Artikel!
    Die Vorteile eines Holzhauses ohne Dachüberstand sind deutlich geworden. Was mich interessieren würde: wie groß sollte der Dachüberstand ausfallen, wenn man die im Artikel genannten Risiken vermeiden möchte? Ist ein schmaler Dachüberstand, der ästhetisch ja auch ansprechend sein kann, ausreichend, oder sollte der Dachüberstand mindestens ein halber Meter betragen, besser sogar mehr?

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